Viele Nutzer warten auf den Virtualizer, um ihn als Eingabegerät für Spiele zu verwenden. Aber auch Anwendungen für Trainings oder in der Architektur sind absehbar.

Foto: Cyberith

Wien - Die Tür fällt ins Schloss. Man hört Stimmen und Klavierspiel. Das düstere Haus, durch das man sich Schritt für Schritt vortastet, ist aber unbewohnt. Unbewohnt von menschlichen Wesen. Das geisterhafte Abbild eines kleinen Mädchens erschreckt die Hausbesucher mit einer grausig verzerrten Horrorfratze. Im Musikzimmer angekommen, beginnt das Klavier zu schweben, hoch hinauf bis unter den Plafond. Schnell unten durchmarschiert, bevor es wieder herunterkracht!

Was diese Reise durch das Geisterhaus auszeichnet, ist nicht nur, dass sie sich im virtuellen Raum abspielt. Die Reisenden werden auch so eng wie möglich in die Illusion eingebunden. Die Videobrille Oculus Rift, die das Bild entsprechend den Kopfbewegungen anpasst, und Kopfhörer an den Ohren schließen die Besucher des Horrorhauses ganz ein. Die Schritte durch die Zimmer werden nicht per Mausklick gesteuert, sie entsprechen tatsächlichen Schritten, die Benutzer des "Virtualizers" in der Realität vollführen.

Dieses Gerät, das vom österreichischen Start-up Cyberith gerade zur Serienreife geführt wird, besteht aus einem Podest und einer darübergelagerten Ringkonstruktion. Die Benutzer des Eingabegeräts sind in eine Art Klettergurt eingepackt. Sensoren auf der speziell beschichteten Bodenplatte, über die ihre Socken rutschen, übertragen ihre Schritte auf dem Stand in die virtuelle Welt. Sensoren am Ring verwandeln die Position des Nutzers in entsprechende digitale Signale.

Mit der Übertragung der tatsächlichen Körperbewegungen in den virtuellen Raum wollen die beiden Gründer, Tuncay Cakmak und Holger Hager, für "größtmögliche Immersion" sorgen. Der Mensch soll sich mit seiner virtuellen Entsprechung nahtlos identifizieren können.

Cakmak hat als Physikstudent vor zwei Jahren den ersten Prototyp in der eigenen Garage zusammengebastelt. Daraus wurde eine Diplomarbeit und eine Geschäftsidee, die den aktuellen Virtual-Reality-Boom rund um die neuen Videobrillen nutzt. Die Gründer entwickelten ihren Ansatz laufend weiter, zuerst im Rahmen einer Forschungsgruppe des Virtual-Reality-Experten Hannes Kaufmann vom Institut für Softwaretechnik und interaktive Systeme der TU Wien, später im Rahmen ihres Start-ups. Sie tingelten mit ihren Prototypen von einer Spielemesse zur nächsten. Und sie stellten sie bei der Immobilienmesse Mipim in Cannes vor, um einen Vorgeschmack auf virtuelle Besichtigungen noch ungebauter Häuser zu geben. Mittlerweile gibt es Kontakte mit Forschungseinrichtungen, die die Anwendbarkeit der Virtual-Reality-Konzepte für Therapien, etwa bei Angst- und Traumapatienten, erforschen.

Künftig könnte eine vibrierende Bodenplatte, die Feedback aus der virtuellen Welt gibt, das Gerät ergänzen. Es würde Nutzer durchrütteln, etwa wenn im Kriegsspiel ein Panzer vorbeirollt. Die Videospiele sind zwar Treiber der Virtual-Reality-Technologien wie des Virtualizers, Anwendung würden sie aber in vielen Bereichen finden, vom Training für Techniker auf Ölplattformen bis zum Virtual Sightseeing.

Problem Cybersickness

Der Test im Geisterhaus zeigt, dass das Gehen im virtuellen Raum erst gelernt werden muss, will man nicht an Tischkante oder Türstock anstoßen. Er zeigte auch, dass die Gefahr anfänglicher Cybersickness real ist, dass Übelkeit auftreten kann, wenn die Sinne durch die Videobrille getäuscht werden. Die Gefahr von Cybersickness sei aber weniger groß, wenn die Signale der körperlichen Bewegung mit jenen der visuellen Eindrücke zusammenpassen, erklärt Cakmak. Der Virtualizer würde also helfen, die Gefahr zu verringern. Im Sommer starteten die Gründer eine Kickstarter-Kampagne. Etwa 400 Geräte wurden dabei bestellt, über 360.000 Euro kamen herein. "Das war auch sinnvoll, um in den USA bekannter zu werden", sagt Hager. Von dort kamen auch die meisten Bestellungen. Und auch ein Investor ist mittlerweile an Bord. Wiens universitärer Gründerservice Inits und das Impulse-XL-Programm der Förderagentur Austria Wirtschaftsservice (AWS) unterstützen das Start-up zusätzlich. Die Serienfertigung soll im Jänner beginnen, Produzenten in ganz Europa sind beteiligt.

Im Moment arbeiten Cakmak und Hager noch an einer verfeinerten Steuerung. Mit einem auf den Virtualizer zugeschnittenen "Software Development Kit" (SDK) sollen die Möglichkeiten des Ganzkörper-Eingabegeräts voll ausgeschöpft werden. Ducken und springen werde dann stufenlos funktionieren und nicht wie bei einem Tastendruck in nur einer möglichen Art, erklärt Cakmak. Zudem werde das Sichtfeld von den Körperbewegungen entkoppelt, was den Anwendungen mehr Freiheiten erlaubt. Die Bewegungen sollen wesentlich realistischer in den virtuellen Raum übertragen werden. Hager: "Die Position des Körpers soll mit einer Genauigkeit von unter einem Zentimeter aufgenommen werden." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 22.10.2014)