Das "Holo-Deck" der TU Wien misst gerade einmal zehn Mal zehn Meter. Trotzdem kann man auf dieser Fläche durch endlose Korridore wandern.

Foto: TU Wien

Der Trick dahinter: Die vom Computer entworfenen Räume und Korridore überlappen sich und liegen in Wirklichkeit auf der selben Fläche. Das wurde von den Testpersonen aber nicht wahrgenommen.

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Wien - Wissenschafter von der Technischen Universität (TU) Wien nutzen einen Schwachpunkt in der menschlichen Wahrnehmung, um Testpersonen virtuelle durch praktisch endlos große Welten gehen zu lassen, auch wenn sie sich in Wirklichkeit nur in einem kleinen Raum bewegen. Bei dieser neuartigen Virtual-Reality(VR)-Technik erzeugt ein Computer ein System von einander überlappende Korridoren und Räumen, das geometrisch in Wirklichkeit gar nicht möglich wäre. Ähnlich wie auf dem vielzitierten "Holo-Deck" im Raumschiff Enterprise spaziert man in der künstlichen Realität von Zimmer zu Zimmer, obwohl man tatsächlich vom Computer bloß immer nur im Kreis herum geführt wird.

Endlose Korridore in einem zehn mal zehn Meter großen Raum

Die Idee dahinter ist vergleichsweise einfach: Während man durch die virtuelle 3D-Welt geht, wird die Position des nächsten Raumes automatisch berechnet – und zwar so, dass er in den real zur Verfügung stehenden Platz passt. Etwa zehn mal zehn Meter groß ist der Testbereich, in dem Hannes Kaufmann vom Institut für Softwaretechnik und interaktive Systeme seine Testpersonen mit 3D-Brille umher gehen lässt. Ihre Bewegungen werden von Kameras aufgenommen, über die Brille bekommen sie Wände und abgeschlossene Räume eingeblendet, die vom Computer generiert werden.

Normalerweise kann die 3D-Welt nur so groß sein wie der reale Platz, der zur Verfügung steht. Die Virtual-Reality-Forschungsgruppe der TU Wien hat allerdings mit Kollegen des Southern California Institute for Creative Technologies eine Ausweg gefunden: Der Computer erzeugt ein System von einander überlappenden Korridoren und Räumen, das geometrisch so gar nicht möglich wäre.


Video: Mit der Technik der TU-Wien wandert man auf kleinem Raum durch endlose Korridore. (Quelle: Youtube/TU Wien)

"Jedes unserer virtuellen Zimmer hat vier Türen, die jeweils über einen Korridor zu einem anderen virtuellen Zimmer führen", erklärt Hannes Kaufmann. Von welchem Zimmer man in welche anderen Zimmer gelangen kann, ist also von Anfang an vorgegeben. Die genaue geometrische Lage der Zimmer und Korridore zueinander ist aber zunächst völlig offen. Sie hängt davon ab, an welcher realen Position die Testperson gerade steht.

Der Trick: Kleinere Änderungen außerhalb des Blickfelds

Erst wenn die Testperson durch eine virtuelle Tür geht, wird der Verlauf des Korridors und die Lage des nächsten Zimmers berechnet – und zwar so, dass sie auf diesem Weg den vorgegebenen realen Raum nicht verlässt und nicht an reale Wände stößt. Das virtuelle Zimmer, in das man dabei gelangt, kann mit dem vorhergehenden Zimmer überlappen – die Versuchsperson bemerkt das kaum, wenn sie dazwischen ein Stück durch einen verwinkelten Korridor gehen musste.

"Ist unsere Konzentration auf Objekte gelenkt, bemerken wir kleinere Änderungen im Raum nicht, die außerhalb unseres Blickfelds liegen", erklärt Hannes Kaufmann. Genau diesen Schwachpunkt in der menschlichen Wahrnehmung nützt Kaufmann in seinem Virtual-Reality-System aus. Die Testpersonen bemerken kaum, dass die Welten, durch die sie spazieren, geometrisch gar nicht möglich wären. Subjektiv halten sie den durchwanderten Bereich für viel größer als die Fläche, die sie tatsächlich real zur Verfügung hatten.

Virtuelle Museumsbesuche und Computerspiele

Das Team rund um Hannes Kaufmann wird die Methode noch weiter entwickeln. "Wir haben noch einige Ideen, wie man diese Raum-Illusion noch verstärken kann" meint Kaufmann. Einsatzmöglichkeiten für die Technologie sieht er in erster Linie in virtuellen Welten, in denen der Inhalt der virtuellen Zimmer im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, nicht die Geometrie der Räume selbst – etwa bei virtuellen Museumsbesuchen oder beim Erforschen abwechslungsreicher virtueller Welten in den Computerspielen der Zukunft. (red, derStandard.at, 23.04.2013)